KRITIK: Gefühlvoller Liederabend im „Lukas“

Von Hansgeorg Marzinkowski, NGZ

Die Konzertreihe in der Kapelle des Neusser Lukaskrankenhauses präsentiert vornehmlich junge Künstler. Das hat entsprechend immer Charme, gelegentlich aber auch qualitative Unterschiedlichkeiten. Wenn nun das letzte Konzert in diesem Jahr den Zuhörern einen Liederabend der Extraklasse bescherte, war das vor allem den beiden eingeladenen Künstlern zu danken.

Der litauische Bass-Bariton Tomas Kildisius wurde am Flügel begleitet von der in Armenien geborenen Konzertpianistin Ani Ter-Martirosyan. Beide sind noch Studenten an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf. Tomas Kildisius hat bereits bedeutende Solopartien etwa beim Theater Krefeld-Mönchengladbach übernommen, Ter-Martirosyan korrepetiert in Liedbegleitung. Ihrer Leidenschaft für die Kammermusik lebt sie als Pianistin in dem in Rom beheimateten Trio Meredi“ aus.

Bereits die Einstimmung, für die beide Musiker Beethovens „Adelaide“ wählten, sorgte für Anerkennung im Publikum. Die Klavierbegleitung passte sich kongenial dem rund-wohltönenden Bariton an. Der vollführte bei den drei Chansons zu „Don Quichotte à Dulcenée“ von Maurice Ravel pures Vergnügen, als ein beschwipster Don Quichotte in Flamenco-Vokalen und Lachanfällen schwelgt, während das Klavier den Wein sprudeln lässt. Makellos war auch dabei die Aussprache des Sängers.

Für die meisten Zuhörer waren die „Three Tennyson Songs“, die der britische Komponist Jonathan Dove auf den Text von Alfred Lord Tennyson 2011 geschrieben hat, eine schöne Neuentdeckung. Nur wenige zeitgenössische Komponisten haben sich so erfolgreich wie Jonathan Dove der modernen Oper verschrieben. Auch seine farbigen und kraftvollen Lieder sind Musik, die man gerne teilen möchte.

Als am 24. April 1830 der 80-jährige Johann Wolfgang von Goethe in Weimar seine Ballade vom „Erlkönig“ erstmals als Lied, komponiert vom 18-jährigen Franz Schubert im Jahre 1815, hörte, staunte er: „So vorgetragen, gestaltet sich das Ganze zu einem sichtbaren Bild.“ Das traf auch genau die Interpretation von Tomas Kildisius, der die Ballade zu einem ergreifenden Erlebnis machte: Die Aufregungen des Sohnes beruhigt die tiefe Stimme des Vaters, Erlkönigs Schmeicheleien wurden vollkommen „sotto voce“ glaubhaft, im „Andante“ verklingt die Trauer um den Tod des Sohnes.

Das kompositorische Eigenleben des Klaviers baute Ani Ter-Martirosyan zu spannungsvoller Atmosphäre auf. Zudem glänzte sie als mitreißende Pianistin auch im ersten Satz der „Klaviersonate g-Moll“ von Robert Schumann, mehr noch im Perpetuum mobile der Toccata aus Ravels Klaviersuite „Le tombeau de Couperin“.

Mit diesem Duo wurde letztendlich auch Schumanns Liederzyklus „Dichterliebe“ zum gefühlvollen romantischen Fest.

https://rp-online.de/nrw/staedte/neuss/tomas-kildisius-und-ani-ter-martirosyan-in-der-kapelle-des-lukaskrankenhauses_aid-47519617

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